Mein mentaler Trick am GP Bern
Geschafft. Ich
habe meine Schlusszeit vom GP Bern aus dem Vorjahr um 6:22 Minuten unterboten. Heisst:
Persönliche Bestleistung. Darauf bin ich stolz. Wie wurde das möglich?
Ein Rückblick: Wegen meiner Teilnahme am Gornergrat Zermatt Marathon in der Sparte Halbmarathon mit dem rro-Laufteam stecke ich in einer intensiven Vorbereitungsphase. Durch die Erfahrungswerte einer Bewegungspädagogin und einer Fitnesstrainerin, die unsere Laufgruppe fit machen für die 21 Kilometer den Berg hinauf, habe ich viel Neues rund um den Laufsport gelernt. Dass ich die Zielzeit von meiner Premiere am GP Bern jedoch um über sechs Minuten unterbieten kann, ist kein Selbstläufer. Ein Vergleich: Bei meiner ersten Teilnahme an einem Langstreckenlauf laufe ich im Jahr 2019 nach 1:56:45 Stunden über die Ziellinie am Swiss City Halbmarathon in Luzern. Im vergangenen Herbst erreiche ich meine persönliche Bestzeit im selben Rennen auf derselben Strecke mit 1:55:22 Stunden. Also rund eine Minute schneller als drei Jahre zuvor. Diese Zeit zeigt, wie schwierig es ist, individuelle Bestleistungen zu knacken. Deshalb habe ich in die mentale Trickkiste gegriffen. Die 16 Kilometer am GP Bern bin ich nach einem klaren Plan gelaufen.
Schmerzen
ausblenden ist Kopfsache
Kurz gesagt geht es um zwei Dinge: Störfaktoren antizipieren und darauf
reagieren. Und: Den optimalen Leistungszustand (OLZ) vom Start bis ins Ziel
abzurufen. Zu den potenziellen Störfaktoren: einer davon ist ein möglicher starker
Gegenwind. Das kann mühsam sein. Nicht jedoch, wenn ich mich schon vorgängig
damit auseinandergesetzt habe. Der Wind bleibt in Bern aus. Zur Planumsetzung
kommt es nicht. Anders bei den Schmerzen. Die können Athleten im schlimmsten
Fall zu einem Wettkampfabbruch zwingen. Nicht dann, wenn ich mich vorgängig
damit auseinandersetze. In meiner Diplomarbeit zum diplomierten Sport Mental
Coach habe ich über das Thema «Wie blende ich Schmerzen während einem
Halbmarathon/Marathonlauf aus?» geschrieben. Das spielt mir in die Karten.
Meinen Lösungsansatz sehe ich in der Aufmerksamkeitsregulation. Als Mittel
nehme ich zwei Aufmerksamkeits-Regulierungsmassnahmen an den Start: Das
Selbstgespräch und eine bewusste Atemtechnik abgestimmt auf den Lauf-Rhythmus.
Bereits in den Trainings kann ich mit bewussten Selbstgesprächen und
Atemtechniken Gedanken und Schmerzen gezielt ausblenden. Am GP Bern spüre ich
nach zweieinhalb gelaufenen Kilometer Milzschmerzen. Relativ einfach gelingt es
mir, sie auszublenden. Weniger als einen Kilometer später, laufe ich wieder im
gewohnten Rhythmus. Die Atemtechnik brauchts ab Kilometer 13.
Klarer
Zeitplan als Hilfsmittel
Dass ich die 1:26:07 tatsächlich ins Ziel bringen kann, hat in erster Linie mit
meinem klaren Laufplan zu tun. Diesen teile ich in drei Phasen auf:
- Die ersten acht Kilometer will ich in einem Schnitt von 5:25 Minuten laufen
- Kilometer neun bis zwölf in 5:20 Minuten
- Die letzten vier Kilometer in einer Zeit von 5:15 Minuten
Dieser Plan geht schon fast akribisch auf. Mein tatsächlicher Kilometerschnitt
liegt denn auch bei 5:21 Minuten. Interessant ist, dass ich vom Start bis ins
Ziel weiss, dass ich meine gewünschte Zeit realisieren werde. Zweifel gibt es
keine. Nie. Es gibt nichts, das mich davon abhält. Und von den schätzungsweise
500 Laufenden, die mich am Start überholt haben und ein eher hohes Tempo anschlagen,
darf ich auf den letzten drei Kilometer noch zahlreiche überholen. Dazu hilft
mir die Atemtechnik, die mich vergessen lässt, dass ich das Tempo für meine Verhältnisse
auch im steilen Schlusshang hochhalte. Dies zeigt, dass ich die Energie richtig
eingeteilt habe. Ob mir das am Gornergrat Zermatt Marathon in der Disziplin
Halbmarathon auch gelingt, weiss ich am 1. Juli. 21 Kilometer und 1300
Höhenmeter sind jedoch wieder eine andere Liga als der wunderschöne
traditionelle GP in der Bundeshauptstadt.