Momentum im Sport - wie wir es für uns gewinnen
«Das Momentum war auf unserer Seite.» Trainer und Sportler sprechen ständig darüber, wie wichtig das Momentum im Sport ist. Können wir es beeinflussen? Entscheidet es über Sieg und Niederlage? Um diese beiden Fragen abschliessend zu beantworten, müssen wir fortan die Frage klären, was das Momentum überhaupt ist.
Momentums-Wechsel im Sekundentakt
Die Wissenschaftler Iso-Ahola
und Mobily (1980) definieren psychologisches Momentum im Buch «Psychological
momentum» als eine hinzu gewonnene psychologische Kraft, ausgelöst durch
Erfolg, die das Verhalten beeinflusst und mit erfolgreicher Leistung einhergeht.
Gewinnt ein Team das Momentum für sich, fühlt es sich in einem Flow. Der
Zustand, indem unser Hirn keine Vergangenheit und keine Zukunft kennt. Der
Zustand, in dem wir im Hier und Jetzt sind und unseren optimalen
Leistungszustand (OLZ) abrufen. Wir kennen wohl alle unzählige Beispiele davon,
wo Einzelsportler oder Teams das Momentum gewonnen und wieder verloren haben. Im
Fussball-EM-Spiel 2016 zwischen Italien und Deutschland erleben die Zuschauer,
wie das Momentum im Elfmeterschiessen im Sekundentakt ändert:
Zaza verschiesst. Momentum Deutschland.
Müller verschiesst. Momentum Italien.
Barzahli trifft. Momentum Italien
Özil verschiesst. Momentum Italien.
Pelle verschiesst. Momentum Deutschland
Draxler trifft. Momentum Deutschland
Bonucci verschiesst. Momentum Deutschland.
Schweinsteiger verschiesst. Momentum Italien.
Später wird Deutschland das Momentum für sich gewinnen und siegen. Gehen wir zurück ins Jahr 2009. Didier Défago gewinnt damals innerhalb von einer Woche die beiden Ski-Klassiker am Lauberhorn und in Kitzbühel. Später wird er in die Mikrophone sagen, nach dem Lauberhornsieg habe er das Momentum gewonnen und habe in Österreich einfach nachgedoppelt. Ist es so einfach? Das Momentum zu gewinnen, steigert unser Selbstvertrauen. Das Vertrauen in unsere eigenen Fähigkeiten. Es gibt uns Lockerheit und Gewissheit, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Das Momentum im Sport lebt. Und es entscheidet im Teamsport ganze Meisterschaften. Wir gehen aufs Eisfeld. Ins Jahr 2006. Die beiden Tessiner Vereine Ambri-Piotta und Lugano duellieren sich im Playoff-Viertelfinal. Ambri führt in der Serie mit 3:0 und steht einen Sieg vor der Halbfinal-Quali. Im vierten Spiel in Ambri trifft der damalige Ambri-Stürmer Hnat Domenichelli die Latte. Versenkt er den Puck im Tor, schicken die «Biancoblu» ihre Rivalen aus dem Südtessin mit 4:0 Siegen in die Ferien. Für Lugano wäre damals die Katastrophe perfekt gewesen. Es kommt anders. Lugano gewinnt Spiel 4. Dreht die Serie. Und wird später Schweizer Meister. Das Momentum dreht in der beschriebenen Verlängerung. Sie werden nun sagen, dass da auch Glück im Spiel ist. Das stimmt. Vermutlich hat weniger als ein Zentimeter für Lugano und gegen Ambri entschieden. Dennoch gilt es, das Momentum zu gewinnen und es zu behalten.
Wer das Momentum hat, ist im Vorteil.
Mit verschiedenen Sport-Teams durfte ich kürzlich die Magie des Momentums im Sport verinnerlichen. Gemeinsam haben wir Strategien entwickelt, wie das Momentum gewonnen werden kann. Quasi mit einem Momentums-Breaker. Im Eishockey- und Handballsport schlagen Spieler bei der Ausarbeitung von potenziellen Lösungen immer wieder ein Timeout vor, um den Rhythmus des Gegners zu brechen. Natürlich ist das eine Möglichkeit. Mich fasziniert der Gedanke, wie wir unmittelbar das Momentum für uns gewinnen können. Ohne Timeout. Direkt auf dem Spielfeld. Was können wir tun, wenn wir in einem Handballspiel vier Gegentor in zwei Minuten erhalten und anschliessend wieder ins Spiel finden wollen? Hierzu braucht es eine Strategie. Den uneingeschränkten Willen des ganzen Teams, das Momentum zurückzuholen und einen klaren Plan. Während ich in Workshops gemeinsam mit den Teams diesen Plan anleiten darf, bin ich immer wieder aufs Neue überrascht, mit wieviel Kreativität die Sportler das Momentum beeinflussen können und wollen. Es gilt, sich damit auseinander zu setzen. Auf eine Saison wird ein Team mit einer Strategie des Momentums-Breakers garantiert einige Punkte mehr holen. Im Idealfall sind das Punkte, die um die Playoff-Quali im Eishockey, den Ligaerhalt im Handball oder im besten Fall die Meisterschaft im Fussball entscheiden. Stellen Sie sich die Frage, was eigentlich geschieht, wenn man das Momentum gewonnen hat? Wird dann alles gut? Nein. Es ist kein Selbstläufer. In dieser Phase gilt es, das Momentum zu halten. Um dieses Beispiel zu erklären, schauen wir nochmals auf ein Fussballfeld. Trainer sprechen oft bei einem 2:0-Pausenstand von einem gefährlichen Resultat. Das stimmt. Realisiert der Gegner das 2:1-Anschlusstor, wechselt das Momentum und der Gegner ist im Aufwind. Deshalb gilt es, das Momentum mit aller Wucht zu halten, wenn wir es gewonnen haben. Heisst: Wer 2:0 führt, ist gut beraten, das 3:0 zu erzielen. Ab diesem Zeitpunkt wird es für jeden Gegner enorm schwierig, nochmal ins Spiel zu finden. Denn: Wer das Momentum hat, ist im Vorteil. Umso wichtiger, dass wir es beeinflussen können.